Verproletarisierung

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Diskursatlas Klassismus
Diskursthema:
Politik/Demokratie Familie/Bevölkerung
Bildung/Sprache Vermögensverteilung/Gleichstellung Gewalt/Kriminalität
Narrativ:
Verproletarisierung

Der Ausdruck Verproletarisierung (auch: Proletarisierung) findet u. a. als klassistisches Narrativ in den Diskursthemen Bildung/Sprache, Familie/Bevölkerung und Gewalt/Kriminalität Anwendung.

Geschichte und Bedeutung des Narrativs Verproletarisierung

Äußerungen im Narrativ Verproletarisierung

„Gerade die demokratische Bewegung sei es, die bewusst nivelliert und den Gleichheitsdünkel fördert, der immer dann aufkommt, wenn es mit einer Zeit bergab geht. Die Gleichheitsforderung der Demokraten bedrohe genauso die echte Freiheit wie der Absolutismus des 'reinen Machtstandpuntkes die echte Autorität. […] Über VOLLGRAFFs Und LASAULX' Horizont hinaus erkennt BURCKHARDT den inneren Zusammenhang zwischen den aufkommenden hochkapitalistischen Wirtschaftsformen und der zunehmenden Entpersönlichung, Vermassung und Verproletarisierung des Lebens. Politisch sieht er die Macht immer mehr an die 'gottesjämmerliche Majorität', den 'Stimmpöbel' übergehen, weil die 'unwiderstehliche Zunahme der Kräfte von unten herauf in ganz Europa' den Gleichheitsdünkel und die Nivellierungskräfte steigere […] Die bedeutenden Individuen und die wertvollen Minoritäten würden aus dem öffentlichen Leben verdrängt, während die Demokratie – selbst eine 'Ausgeburt mediokrer Köpfe' – zwangsläufig nur 'mediokre Menschen' an die Macht schwemme. […] Die Güter der Bildung, Poesie und Künste, distinguierte Sitte, höhere Wissenschaft aber würden eins nach dem anderen dem Druck der vordringenden Massen im Namen der Demokratie geopfert werden [Anm. 26: […] Durch die Allgemeinbildung der Massen könne das Niveau der wirklichen Bildung nur noch weiter absinken. Das einzige Resultat sei die Schaffung 'endloser Generationen von Unzufriedenen' […] ...] Aber die Erwartung eines kommenden Zeitalters der allgemeinen Barbarei – der Versklavung unter die 'Brüllmasse Volk'  - findet sich auch schon in den Briefen aus den 40er Jahren […], in denen, wie er später sagt […], das 'Gemeinerwerden' der Zeit erstmalig spürbarer wurde.“[1]
(siehe auch Narrative: Nivellierung, Gleichheitswahn, Masse, Niveau, Pöbel, Minderwertige, Hochkultur, Herunterziehen)


  • Juli 1966: Im Handwörterbuch zur Kriminologie – Band 1: Aberglaube – Kriminalbiologie führt Friedrich Stumpfl im Artikel Asozialität u.a. aus:
„Auf Grund ihrer Straflisten lassen sich sich die Asozialen in zwei großen Gruppen einteilen. Die erste umfaßt die Frühgescheiterten, meist geistig und körperlich minderwertige Menschen, deren höchste Sraffälligkeit zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr liegt; dies haben sich schon beim Eintritt in das Erwerbsleben als unfähig erwiesen. Die zweite Gruppe wird von den Spätgescheiterten gebildet, die im Alter von 30 bis 50 Jahren straffällig geworden sind. Diese sind durch Alkohol oder andere körperliche Schäden oder sonstige Ursachen in ihrer Leistungsfähigkeit erst später beeinträchtigt worden, arbeitslos geworden und dem Bettel oder Landstreichertum verfallen […]. Die Mehrzahl dieser zweiten Gruppe ist nur erwerbsschwach infolge körperlicher und geistiger Mängel. Der Schwerpunkt der Probleme liegt bei der ersteren Gruppe: bei ihr spielen Arbeitsscheu und Liederlichkeit eine zunehmend größere Rolle. Die Anlagefaktoren, aber auch die erzieherischen Faktoren, haben bei der ersten Gruppe, die schweren Schicksale bei der zweiten Gruppe ein größeres Gewicht. […] Neben dem Alkohol und der psychopathischen Wesensart (Willenlosigkeit, Gemütsarmut, Stimmungslabilität) spielt der Schwachsinn eine entscheidende Rolle. […] Sofern alle diese Defekte nicht einen Grad erreichen, der schon an und für sich eine Einweisung in eine Anstalt oder eine Behandlung nahelegt, sind sie eine der häufigsten Merkmale der Asozialen. […] Die Arbeitsscheuen bilden eine Gruppe, die sich hauptsächlich in den Großstädten breitmacht. In ihr finden sich Personen, die überwiegend von strafbaren Handlungen leben, aber strafrechtlich schwer zu fassen sind, weil ihnen die Handlungen oft nicht nachgewiesen werden können. Sie fallen nicht mehr unter den Begriff der Asozialen und sollen durch ein eigenes Arbeitsscheuen-Gesetz erfasst werden. […] Die sozialen Vorbedingungen für das Auftreten von Asozialität sind von großem Gewicht, weil für den Menschen in seiner Welthaftigkeit nicht nur Charakter, Affekte, Temperament die motivierende Verhaltensgrundlagen abgeben. [...] Wo eine Familiengründung nicht mehr gelingt, ja selbst das Streben nach Familiengründung erstickt ist, da erfolgt in diesem Bereich das Absinken in Asozialität. [...] Andere Vorbedingungen sind zu erblicken im Darniederliegen der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nur im Sinne der Notzeiten, sondern auch von tieferliegenden Gesellschaftskrisen der Gegenwart [...]. Hierher gehören die Probleme der Verproletarisierung und Entproletarisierung. […] Den Asozialen kann nur die Internierung auf unbestimmte Zeit ein menschenwürdiges Leben sichern.“[2]
(siehe auch Narrative: Asoziale, Minderwertige, Arbeitsscheu, Schwachsinn, Traditionelle Familie, Absinken)


  • 19.09.2006: André F. Lichtschlag forderte in der Tageszeitung Die Welt „Entzieht den Nettostaatsprofiteuren das Wahlrecht!“ und begründete dies unter anderem mit den Worten:
„Proletarisierung - staatsabhängige Asoziale (der 'Spiegel' schreibt von den 'neuen Proleten') anstelle selbstständiger Menschen sind das Ergebnis des allumfassenden Sozialstaats. […] Deutschland ist weit vorangeschritten auf dem Weg hin zu einem neosozialistischen Staat - und ist in sich selbst nicht mehr reformierbar. Denn inzwischen stellen die Nettostaatsprofiteure die Mehrheit: Beamte, Politiker, Arbeitslose und Rentner stimmen mit ihren Mehrheiten jeden noch produktiven Menschen nieder und beuten ihn weiter und immer mehr aus. [...] Heute ist 'Weniger Demokratie wagen!' der letzte Ausweg vor dem sicheren Gang in den Totalitarismus.“ [3]
(siehe auch Narrative: Asoziale, Ausbeutende Arme, Totalitarismus)


„Kaum einer wehrt sich noch gegen die Zumutungen, gegen die »Steuerlast titanischen Ausmaßes«, gegen den Abbau des selbst erarbeiteten Wohlstands, gegen Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit, gegen die kulturelle Verstümmelung, gegen die Aufpasser aus den halb- bis vollstaatlichen Gesinnungsanstalten. Grün-rote Sozialklempner, Steuergelderpresser und ihre zur Hälfte importierte, zur Hälfte pseudowissenschaftlich zusammengefaselte Klientel sind unsere Gegner. Letztere legitimieren scheinbar die ersteren. Im Gespann sorgen sie dafür, dass Deutschlands zutiefst verängstigte Mittelschicht ständig an Substanz verliert und sich stattdessen mit Fassaden zufriedengibt. Pirinçci nennt das geleaste Auto, die aufgrund der immer höheren Steuern und Abgaben der Lohnarbeit zuzuführende Ehefrau, das kreditbelastete Haus und die politisch korrekte Zwangsbeschulung des Nachwuchses.  […] Wirtschaftlicher Verfall – seit Jahrzehnten leben wir von der Substanz und verbrauchen den Wohlstand der Väter, statt neues Kapital zu bilden; Schulen und Straßen verrotten. Proletarisierung – staatsabhängige Asoziale anstelle selbstständiger Menschen sind das Ergebnis des allumfassenden Sozialstaats. Inzwischen stellen die Nettostaatsprofiteure die Mehrheit: Beamte, Politiker, Arbeitslose und Rentner stimmen mit ihren Mehrheiten jeden noch produktiven Menschen nieder und beuten ihn immer mehr aus. “[4]
(siehe auch Narrative: Substanz, Political Correctness, Verfall, Asoziale, Ausbeutende Arme)


  • 11.02.2018: Michael Jeannée äußert sich zur ^gehobenen „Society“ in Wien u.a. mit den Worten:
„Die Gesellschaft hat sich verproletarisiert […] Mit Haferlschuhen in die Oper. Der Krawattenzwang ist abgeschafft. Eine Premiere ist, was es nachher für einen Champagner gibt. Buffet und Charity – das ist der Tod der Gesellschaft. Das hat nichts mit Ideologie oder Bürgertum zu tun. Das Niveau ist in die Tiefe gesackt.“[5] 
(siehe auch Narrativ Niveau)

Verkettungen mit anderen klassistischen Narrativen

Die oben genannten Äußerungen zeigen, dass das Narrativ Verproletarisierung mit folgenden Narrativen verkettet ist, die ebenfalls als „antifeministisch“ identifiziert wurden. Hierbei ist zu beachten, dass ein Ausdruck verschiedene Bedeutungen haben und für verschiedene Erzählungen - also für verschiedene Narrative - stehen kann. Daher findet hier nicht der Ausdruck an sich, sondern eine bestimmte Lesart dieses Ausdruck, ein bestimmtes Narrativ, nämlich das antifeministische Narrativ, Beachtung.

Einzelnachweise

  1. Hans Joachim Schoeps: Vorläufer Spenglers: Studien zum Geschichtspessimismus im 19. Jahrhundert, Leiden/ Köln 1953, S. 74ff.
  2. Friedrich Stumpfl: Asozialität, in Rudolf Sieverts (Hrsg.): Handwörterbuch der Kriminologie, Bd. 1: Aberglaube – Kriminalbiologie, Hamburg 1966, S. 63ff.
  3. André Lichtschlag: Entzieht den Nettostaatsprofiteuren das Wahlrecht!, in: Die Welt vom 19.09.2006
  4. André F. Lichtschlag: Deutschlands Ayn Rand. Akif Pirinçci, der romantische Libertäre, in: Akif Pirincci und Andreas Lombard (Hg.): Attacke auf den Mainstream. 'Deutschland von Sinnen' und die Medien, Lichtschlag in der Edition Sonderwege, Waltrup und Leipzig 2014, S. 199f.
  5. Thomas Chorherr: Die verproletarisierte Gesellschaft: Gibt es nur mehr Schickeria?, in: Die Presse vom 11.02.2018