Balaji Srinivasan

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THEMA
Privatstädte und Proprietarismus
Dieser Teil des Klassismus Wikis informiert über Themen zu Netzwerken und Akteur*innen des Proprietarismus (sogenannter Rechts"libertarismus" oder "Anarcho"-Kapitalismus), die im Zusammenhang mit Privatstadtprojekten stehen.
Unter Proprietarismus (von lateinisch "proprius" = "Eigentum") wird hier eine Ideologie verstanden, die tendenziell alle Rechte hinter Eigentumsrechten zurücktreten lässt und insbesondere den auf demokratische Mehrheitsentscheidungen basierenden Sozialstaat ablehnt.

Seit der Weltwirtschaftskrise von 2008 versuchen proprietaristische Netzwerke ärmeren Staaten Souveränitätsrechte (Polizei, Wirtschaft, Gerichtsbarkeit, ...) zu entwinden und auf lokale Privatsiedlungsprojekte zu übertragen - eine strategische Praxis, die mit dem Begriff Privarismus (von lateinisch "privare" = "berauben") treffend benannt ist.
"Privatstadt" ist ein Sammelbegriff für weitgehend von Staaten und damit von demokratischer Kontrolle unabhängige Zonen, in denen Ansätze der proprietaristische Ideologie umgesetzt werden sollen.
Weitere Informationen finden sich im Anfang April 2022 publizierten Buch 'Privatstädte':


Autor: Andreas Kemper (Zitierhilfe)

Balaji Srinivasan ist ein US-amerikanischer Tech-Unternehmer und Publizist, der die Gründung von Network States als quasi-staatliche Bündelung von Privatstädten und ähnlichen Enklaven unter je einer Führungsperson propagiert.

Srinivasan war Mitbegründer von Counsyl, ehemaliger Chief Technology Officer (CTO) von Coinbase und ehemaliger "Generalpartner" beim Risikoinvestment-Unternehmen Andreessen Horowitz.[1]

Verbindungen zu Curt Yarwin / Dark Enlightenment

Balaji Srinivasans Exit-Rede 2013

2013 stellte Balaji Srinivasan während der Startup School 2013 sein Exit-Konzept vor. Es bezieht sich auf Albert O. Hirschmans Buch Exit, Voice, and Loyality, welches die Strategien Mitarbeit/Mitbestimmung (Voice: Stimme) gegenüber Auswandern (Exit: Verlassen) für politische Veränderungen abwägt. Srinivasan diskutiert die Strategieformen des Exits für das Silicon Valley gegenüber dem, was er analog zum Rust Belt (Rostgürtel: Metapher für die Region mit den inzwischen leerstehenden Autofabriken und ähnlichen nicht mehr genutzten Industrien) als Paper Belt (Papier Gürtel: die mit den Städten New York und Washington verbundenen Kommunikations- und Regierungsformen, die angeblich hinter den technologischen Möglichkeiten der Digitalisierung zurückbleiben). Der Investor Marc Andreessen sehe für die nächsten Jahre eine "Explosion" bei der Entstehung neuer Staaten und Peter Thiel würde bereits in die Entstehung neuer unabhängiger Stadtstaaten (Seasteading Institute) investieren. Balaji Srinivasan schloss seinen Vortrag mit der Behauptung, dass der Paper Belt gegen seine Umstrukturierung Barrieren errichten würde, aber dagegen wäre eine Exit-Strategie möglich: "We can build a new world by software" ("Wir können mit der Software eine neue Welt errichten").[2]

Verbindung zum neoreaktionärem Dark Enlightenment

Journalisten machten darauf aufmerksam, dass Balaji Srinivasan zu einem Zeitpunkt die Rede hielt, als Peter Thiel und aufgrund des Einflusses von Srinivasan die Risikokapitalfirma Andreessen Horowitz, für die er inzwischen arbeitete, in ein Technologieunternehmen von Curtis Yarwin investierten.[3][4] Yarwin gilt mit seinem Pseudonym "Mencius Moldbug" als Begründer der US-amerikanischen faschistoiden Strömung des "neoreaktionären" Dark Enlightenment.

Mencius Moldbug/ Curtis Yarwin hatte in seinem Beitrag vom 13.11.2008 "Patchwork: A Political System for the 21th Century. Chapter 1: A Positive Vision" ebenfalls mit der Gegenüberstellung von "Voice" und "Exit" eine Schaffung von Hunderttausenden von Mikronationen gefordert:

"Der Grundgedanke von Patchwork ist, dass die beschissenen Regierungen, die wir aus der Geschichte geerbt haben, zerschlagen und durch ein globales Spinnennetz aus zehn-, ja sogar hunderttausenden von souveränen und unabhängigen Miniländern ersetzt werden sollten, von denen jedes von seiner eigenen Aktiengesellschaft regiert wird, ohne Rücksicht auf die Meinung der Einwohner. Wenn den Bewohnern ihre Regierung nicht gefällt, können und sollten sie umziehen. Der Entwurf sieht nur 'Exit' vor, kein 'Voice'."[5]

Klint Finley wies 2013 in der Tech-Nachrichtenseite TechCrunch auf Ähnlichkeiten der "Voice"/"Exit"-Gegenüberstellungen von Yarwin/Moldbug mit einer Rede von Srinivasan hin ("Das kommt Ihnen wahrscheinlich bekannt vor, wenn Sie die Rede von Balaji Srinivasan bei Y Combinator gehört haben."[6]) und dass Srinivasan sich distanziere:

"Obwohl in mehreren Nachrichtenberichten die Rede als Aufruf zum Austritt des Silicon Valley aus der Union beschrieben wurde, erklärte Srinivasan gegenüber Tim Carmody, dass seine Rede falsch interpretiert worden sei. 'Ich bin kein Libertärer, glaube nicht an die Sezession, bin ein eingetragener Demokrat und so weiter und so fort', schrieb er. 'Dies ist wirklich eine Rede, in der es mehr um Auswanderung und Ausstieg geht.' Ich kenne Srinivasan nicht, aber es klingt, als würde er neoreaktionäre Ansichten abstoßend finden."[7]

Kint Finley wies allerdings auf weitere Verbindungen hin:

"Aber es gibt andere im Valley, die Ideen verfolgen, die der Neoreaktion sehr viel näher stehen. Patri Friedman, der zusammen mit Peter Thiel das Seasteading Institute gegründet hat, erwähnte Yarvins Blog ausdrücklich in einer Leseliste am Ende eines Aufsatzes für Cato Unbound, und Yarvin sollte 2009 auf der Konferenz des Seasteading Institute sprechen, bevor sein Auftritt abgesagt wurde. Thiel äußerte in seinem eigenen Artikel für Cato Unbound eine ähnliche Meinung: 'Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind'. Thiels Founders Fund ist übrigens einer der Investoren von Srinivasans Unternehmen Counsyl.[8]"

Corey Pein fand wenige Monate später weitere zentrale Versatzstücke der Ideologie von Curtis "Moldbug" Yarwin in der Rede von Balaji Srinivasan wieder:

"In einer vielbeachteten Sezessionsrede an einer "Startup-Schule" im Silicon Valley im vergangenen Jahr gab es mehr als nur einen Hauch von Moldbug (siehe Video unten). In der Rede des ehemaligen Stanford-Professors und Andreessen Horowitz-Partners Balaji Srinivasan wurde Moldbug oder Dark Enlightenment zwar nie erwähnt, aber sie war durchdrungen von neoreaktionärer Rhetorik und Ideen. Srinivasan benutzte den Ausdruck "Paper Belt", um seine Feinde zu beschreiben, nämlich die Regierung, die Verlagsindustrie und die Universitäten. Die Formulierung spiegelte Moldbugs "Kathedrale" wider. Srinivasans zentrales Thema war der Begriff des "Exits" - d. h. der Ausstieg aus der demokratischen Gesellschaft und der Eintritt in eine beliebige Anzahl von unternehmerischen Ministaaten, deren Ankunft die Welt wie eine Patchwork-Karte des feudalen Europas aussehen lassen wird."[9]

Am 13.02.2021 berichtete schließlich der Journalist Cade Metz in der New York Times von internen E-Mails zwischen Balaji Srinivasan und dem Dark Enlightenment-Begründer Curtis Yarwin:

"Im Jahr 2013 investierte Herr Thiel in ein von Herrn Yarvin gegründetes Technologieunternehmen. Das tat auch die Risikokapitalfirma Andreessen Horowitz, die bei der Investition von Balaji Srinivasan angeführt wurde, der damals persönlich haftender Gesellschafter war. Im selben Jahr, als die Tech-Nachrichtenseite TechCrunch einen Artikel veröffentlichte, der die Verbindungen zwischen den Neoreaktionären, den Rationalisten und dem Silicon Valley untersuchte, tauschten Herr Yarvin und Herr Srinivasan E-Mails aus. Herr Srinivasan sagte, sie könnten nicht zulassen, dass diese Art von Geschichte an Boden gewinnt. Dies war ein Vorgeschmack auf die Haltung, die sich entwickeln sollte, als ich mich im Sommer 2020 an Herrn Siskind wandte. (Herr Srinivasan war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.) 'Wenn es brenzlig wird, könnte es interessant sein, das Publikum des Dark Enlightenment auf einen einzelnen verwundbaren, feindseligen Reporter zu hetzen, um ihn zu doxen und mit feindseligen Berichten, die an *ihre* Werbekunden/Freunde/Kontakte geschickt werden, umzudrehen', sagte Herr Srinivasan in einer E-Mail, die von der New York Times eingesehen wurde, und verwendete den Begriff 'Dark Enlightenment', der ein Synonym für die neoreaktionäre Bewegung ist. Andere, wie Herr Thiel, drängten ihre Kollegen zum Schweigen und sagten in E-Mails, sie seien zuversichtlich, dass die Presse sich fernhalten würde. Sie hatten Recht."[10]

'Doxen' bedeutet, dass über ideologische Gegner*innen private Dokumente wie bspw. der Straße und Hausnummer oder die Telefonnummer bekannt gegeben werden. Genau dies geschah mit Cade Metz, als er in seinen Recherchen Kontakt zu Personen des Dark Enlightenment aufnahm: "Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wurde ich von einer Flut von Online-Beschimpfungen heimgesucht, ebenso wie mein Redakteur" - seine Adresse und seine Telefonnummer sei auf Twitter verbreitet worden.[11]

The Network State

(Stand 27.03.2022 - Artikel wird ausgebaut) The Network State ist eine Erweiterung der Konzeption, die Balaji Srinivasan bereits 2013 in seiner "Voice/Exit"-Rede dargestellt hatte. Obwohl er sich damals öffentlich vom Dark Enlightenment und Curtis Yarwin distanzierte, wird mit der Vision des Network State deutlich, dass es ihm in einem ersten Teilschritt tatsächlich um die von Yarwin geforderte Schaffung von Tausenden von Mikronationen geht, die dann aber in einem zweiten Schritt zu einem eigenen Staat aus nicht territorial zusammenhängenden Regionen bestehen soll. Srinivasan Definition vom Network State in seinem gleichnamigen Artikel im Blog 1729 ist:

"Ein Network State [Netzwerk-Staat; A.K.] ist ein soziales Netzwerk mit einer klaren Führungspersönlichkeit, einer integrierten Kryptowährung, einem eindeutigen Ziel, einem nationalen Bewusstsein und einem Plan zum Crowdfunding von Territorien."[12]

Network States sind Privatstädte und ähnliche Enklaven unter einer Führungsperson bündelnde Institutionen und damit konzeptionelle Weiterentwicklungen der Privatstadt-Projekte.

Verbindungen zur Privatstadtszene

Balaji Srinivasan ist Berater des Privatstadtunternehmens Pronomos Capital (Stand 03/2022)[13] Laut Jamie Redman gehört Balaji Srinivasan außerdem neben Peter Thiel, Roger Ver und Marc Andreessen zu den Investoren von Pronomos Capital. [14]

Balaji Srinivasan gehört zum Beraterteam der Startup Societies Foundation (Stand 10/2021).[15]

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Literatur

  • The Network State (2022) (für Juli 2022 angekündigt)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Peter Kafka (2017): Balaji Srinivasan, who may run the FDA for Trump, hates the FDA. But Silicon Valley likes Srinivasan, in: Vox vom 14.01.2014, Link
  2. Balaji Srinivasan (2013): Voice versus Exit, Vortrag im Rahmen der Startup School 2013, Link
  3. Corey Pein (2014): Mouthbreathing Machiavellis Dream of a Silicon Reich, in: The Baffler vom 19.05.2014, Link
  4. Cade Metz: Silicon Valley’s Safe Space, in: The New York Times vom 22.02.2021, Link
  5. Mencius Moldbug (2008): Patchwork: A Political System for the 21th Century. Chapter 1: A Positive Vision, in: Unqualified Reservations vom 13.11.2008, [1]; eigene Übersetzung
  6. Klint Finley: Geeks for Monarchy: The Rise of the Neoreactionaries, in: Tech Crunch vom 23.11.2013 Link; eigene Übersetzung
  7. Klint Finley: Geeks for Monarchy: The Rise of the Neoreactionaries, in: Tech Crunch vom 23.11.2013 Link; eigene Übersetzung
  8. Klint Finley: Geeks for Monarchy: The Rise of the Neoreactionaries, in: Tech Crunch vom 23.11.2013 Link; eigene Übersetzung
  9. Corey Pein (2014): Mouthbreathing Machiavellis Dream of a Silicon Reich, in: The Baffler vom 19.05.2014, Link; eigene Übersetzung
  10. Cade Metz: Silicon Valley’s Safe Space, in: The New York Times vom 22.02.2021, Link; eigene Übersetzung
  11. Cade Metz: Silicon Valley’s Safe Space, in: The New York Times vom 22.02.2021, Link; eigene Übersetzung
  12. Balaji Srinivasan (2021): The Network State, in: Blog 1729 vom 11.11.2021 Link; eigene Übersetzung
  13. Pronomos Capital (2022): People, Internetpräsenz von Pronomos Capital, Link
  14. Jamie Redman (2020): Demand for Charter Cities During Covid-19 Pandemic Grows Exponential - People Desire Semi-Autonomous Zones, in: Bitcoin.com vom 17.06.2020, Link
  15. Startup Societies Foundation (2021): About us, Internetpräsenz der Startup Societies Foundation, Link