ZEDE

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THEMA
Privatstädte und Proprietarismus
Dieser Teil des Klassismus Wikis informiert über Themen zu Netzwerken und Akteur*innen des Proprietarismus (sogenannter Rechts"libertarismus" oder "Anarcho"-Kapitalismus), die im Zusammenhang mit Privatstadtprojekten stehen.
Unter Proprietarismus (von lateinisch "proprius" = "Eigentum") wird hier eine Ideologie verstanden, die tendenziell alle Rechte hinter Eigentumsrechten zurücktreten lässt und insbesondere den auf demokratische Mehrheitsentscheidungen basierenden Sozialstaat ablehnt.

Seit der Weltwirtschaftskrise von 2008 versuchen proprietaristische Netzwerke ärmeren Staaten Souveränitätsrechte (Polizei, Wirtschaft, Gerichtsbarkeit, ...) zu entwinden und auf lokale Privatsiedlungsprojekte zu übertragen - eine strategische Praxis, die mit dem Begriff Privarismus (von lateinisch "privare" = "berauben") treffend benannt ist.
"Privatstadt" ist ein Sammelbegriff für weitgehend von Staaten und damit von demokratischer Kontrolle unabhängige Zonen, in denen Ansätze der proprietaristische Ideologie umgesetzt werden sollen.
Weitere Informationen finden sich im Anfang April 2022 publizierten Buch 'Privatstädte':


Autor: Andreas Kemper (Zitierhilfe)

ZEDE steht für Zona de empleo y desarrollo económico (deutsch: Zone für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung). Es handelt sich bei ZEDEs um Sonderentwicklungszonen in Honduras auf Grundlage eines im September 2013 verabschiedenten Gesetzes.[1] Die ZEDE-Sonderentwicklungszonen sind momentan die Orte, die sich dem proprietaristischen Ideal von Privatstädten am weitesten angenähert haben. Dennoch besteht auch in den ZEDE noch keine vollständige Souveränität für die Privatstadt-Unternehmen,

Geschichte der ZEDEs

  • 2008: Patri Friedman, Enkel des neoliberalen Vordenkers Milton Friedman, gründet mit Hilfe einer Finanzierung von Peter Thiel das Seasteading Project zur Gründung von Seestädten; Paul Romer vereinbart mit dem Präsidenten von Madagaskar die Gründung einer Charter City; Anfang 2009 wird der Präsident abgesetzt und der Plan für Madagaskar begraben.
  • 2009: gegen den linksliberalen Präsidenten José Manuel Zelaya wird in Honduras geputscht
  • Ende November 2009 wird Porfirio Lobo zum Regierungspräsidenten gewählt (Privatstadtbefürworter Octavio Sánchez wird Stabschef)
  • Sommer 2010: Sánchez und Lobo besuchen Paul Romer in Miami, um über die Charter Cities zu sprechen.
  • Februar 2011: Das honduranische Parlament beschließt mit nur einer Gegenstimme das Gesetz zu Einführung von Sonderentwicklungszonen ("Región Especial de Desarrollo" RED).
  • April 2011: die guatemaltekische Universidad Francisco Marroquín veranstaltet zusammen mit dem US-amerikanischen Seasteading Institute von Patri Friedman die Tagung The Future of Free Cities auf der honduranischen Insel Roatán.
  • Juli 2011: Gründung der Grupo Ciudades Libres LLC durch Michael Strong und Kevin Lyons (Teilnehmern der Konferenz The Future of Free Cities)
  • August 2011: Gründung der Future Cities Development Inc. durch Patri Friedman
  • September 2011: Gründung des Free Cities Institutes durch die Universidad Francisco Marroquín und Michael Strong
  • Dezember 2011: Die honduranische Regierung vereinbart inoffiziell mit den Unternehmen Grupo Ciudades Libres LLC und Future Cities Development Inc. die Gründung von Sonderentwicklungszonen (RED); sie ernennt inoffiziell eine fünfköpfige Transparenz-Kommission unter der Führung von Paul Romer.
  • April 2012: Mark Klugmann stellt an der Universidad Francisco Marroquín das Modell der LEAP-Cities vor.
  • 4. September 2012: Kevin Lyons gründet in Nevada/USA das Unternehmen Grupo de Desarrollos Especiales LLC, zu dem die MGK Group (später: MKG Group) gehören soll; am selben Tag unterzeichnet die zuständige Behörde einen Vertrag mit Michael Strong von der MGK Group, zur Schließung eines Pachtvertrages am 1. Oktober 2021 zur Gründung einer Sonderentwicklungszone (RED).
  • 7. September 2012: Die fünf Mitglieder der inoffiziellen Transparenz-Kommission unter Paul Romer zeigen sich in einem offenen Brief an den Staatspräsidenten Lobo irritiert darüber, beim Vertragsabschluss mit der MGK Group nicht konsultiert geworden zu sein und bieten ihre Auflösung an. Romer sieht sich einige Tage später hintergangen und zieht sich aus dem Projekt zurück.
  • 22. September 2012: Der Rechtsanwalt Antonio Trejo berichtet im Fernsehen kritisch über das RED-Gesetz; er hat mit anderen Verfassungsbeschwerde eingelegt; am selben Tag wird er von Unbekannten erschossen.
  • 17. November 2012: Der Oberste Gerichtshof erklärt das RED-Gesetz für verfassungswidrig.
  • 12.12.2012: Oberster Gerichtshof Honduras wird abgesetzt
  • 30.01.2013: Verfassungsänderung, Gesetz zur ZEDE
  • 11.02.2014: Ernennung der Mitglieder der ZEDE-Aufsichtsbehörde CAMP
  • seit 2019: Entstehung und Entwicklung der ZEDEs Próspera, Ciudad Morazán, Orquídea
  • 28.11.2021: Xiomara Castro gewann für die sozialistische Partei Libertad y Refundación die Präsidentschaftswahlen; Libertad y Refuncación versprach die Abschaffung der ZEDEs
  • 20.04.2022: Das Parlament in Honduras beschließt einstimmig die Auflösung der ZEDE-Gesetzgebung, diese Entscheidung muss im Januar 2023 mit einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments bestätigt werden[2]; das Unternehmen Próspera Honduras reagiert mit einem Schreiben, in dem es in der Überschrift heißt "Gebaut für die Ewigkeit".

ZEDEs in Honduras

In Honduras bestehen aktuell drei ZEDEs:

Einzelnachweise

  1. Oberster Rechnungshof Honduras (2013): Ley orgánica de las zonas de empleo y desarrollo económico, Link
  2. Andrea Lammers (2022): Honduras bremst Privatstädte aus, in: Amerika21 vom 25.04.2022, Link