Objektive Möglichkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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Negt sieht das [[Klassenbewusstsein]] in seiner „entmythologisierten Form“ als die „Angemessenheit der Vorstellungen der Menschen an die geschichtlich bedingten objektiven Möglichkeiten der Gesellschaft“<ref>ebd., S. 70</ref> Der Begriff der „klassenlosen Gesellschaft“ habe Ende der 1960er Jahre „in vieler Hinsicht einen faßbareren, konkreteren Bedeutungsinhalt“ als fünfzig Jahre zuvor, was sich auch darin zeige, dass die spätkapitalistischen Ideologie die bestehenden Gesellschaft als „klassenlos“ legitimierten.<ref>ebd.</ref>
Negt sieht das [[Klassenbewusstsein]] in seiner „entmythologisierten Form“ als die „Angemessenheit der Vorstellungen der Menschen an die geschichtlich bedingten objektiven Möglichkeiten der Gesellschaft“<ref>ebd., S. 70</ref> Der Begriff der „klassenlosen Gesellschaft“ habe Ende der 1960er Jahre „in vieler Hinsicht einen faßbareren, konkreteren Bedeutungsinhalt“ als fünfzig Jahre zuvor, was sich auch darin zeige, dass die spätkapitalistischen Ideologie die bestehenden Gesellschaft als „klassenlos“ legitimierten.<ref>ebd.</ref>


Oskar Negt greift auf [[George Lukács]] „Geschichte und Klassenbewusstsein“ zurück, auf den Abschnitt im Kapitel „Klassenbewusstsein“, wo Lukács zusammenfasst, was „Konkrete Untersuchung“ bedeutet, nämlich die „Beziehung auf die Gesellschaft als Ganzes“<ref>Lukacs, Georg (1968): Geschichte und Klassenbewußtsein. Georg Lukacs Werke, Frühschriften II, Berlin, S. 223</ref>. Erst in dieser Beziehung würde „das jeweilige Bewußtsein, das die Menschen über ihr Dasein haben, in allen seinen wesentlichen Bestimmungen“<ref>ebd.</ref> erscheinen. Lukács stellt in diesem Abschnitt eine „doppelt dialektische Bestimmung des 'falschen Bewußtseins'“ fest. Denn erst in der Beziehung zum Ganzen erscheint das Bewusstsein zum einen subjektiv als „Zu-Verstehendes“, „Verständliches“, also „richtiges“, objektiv aber „an dem Wesen der gesellschaftlichen Entwicklung Vorbeigehendes“, also als „falsches Bewußtsein“<ref>ebd.</ref>. Zum anderen erscheint das Bewusstsein aber auch subjektiv als die „selbstgesetzten Ziele verfehlend“ und stattdessen „unbekannte, ungewollte objektive Ziele der gesellschafltichen Entwicklung fördernd und erreichend“<ref>ebd.</ref>. Es heißt dann weiter bei Lukacs: „Die Beziehung auf die konkrete Totalität und die aus ihr folgenden dialektischen Bestimmungen weisen über diese bloße Beschreibung hinaus und ergeben die Kategorie der objektiven Möglichkeit“.<ref>ebd.</ref> An dieser Stelle setzt Negt an und zitiert Lukács – allerdings nicht ganz sauber, da weder Hervorhebungen, noch Auslassungen im Zitat vermerkt wurden. Im Original heißt es bei Lukács:
Oskar Negt greift auf [[George Lukács]] „Geschichte und Klassenbewusstsein“ zurück, auf den Abschnitt im Kapitel „Klassenbewusstsein“, wo Lukács zusammenfasst, was „Konkrete Untersuchung“ bedeutet, nämlich die „Beziehung auf die Gesellschaft als Ganzes“<ref>Lukács, Georg (1968): Geschichte und Klassenbewußtsein. Georg Lukács Werke, Frühschriften II, Berlin, S. 223</ref>. Erst in dieser Beziehung würde „das jeweilige Bewußtsein, das die Menschen über ihr Dasein haben, in allen seinen wesentlichen Bestimmungen“<ref>ebd.</ref> erscheinen. Lukács stellt in diesem Abschnitt eine „doppelt dialektische Bestimmung des 'falschen Bewußtseins'“ fest. Denn erst in der Beziehung zum Ganzen erscheint das Bewusstsein zum einen subjektiv als „Zu-Verstehendes“, „Verständliches“, also „richtiges“, objektiv aber „an dem Wesen der gesellschaftlichen Entwicklung Vorbeigehendes“, also als „falsches Bewußtsein“<ref>ebd.</ref>. Zum anderen erscheint das Bewusstsein aber auch subjektiv als die „selbstgesetzten Ziele verfehlend“ und stattdessen „unbekannte, ungewollte objektive Ziele der gesellschafltichen Entwicklung fördernd und erreichend“<ref>ebd.</ref>. Es heißt dann weiter bei Lukacs: „Die Beziehung auf die konkrete Totalität und die aus ihr folgenden dialektischen Bestimmungen weisen über diese bloße Beschreibung hinaus und ergeben die Kategorie der objektiven Möglichkeit“.<ref>ebd.</ref> An dieser Stelle setzt Negt an und zitiert Lukács – allerdings nicht ganz sauber, da weder Hervorhebungen, noch Auslassungen im Zitat vermerkt wurden. Im Original heißt es bei Lukács:


  "Indem das Bewußtsein auf das Ganze der Gesellschaft bezogen wird, werden jene Gedanken, Empfindungen usw. erkannt, die die Menschen in einer bestimmten Lebenslage haben würden, wenn sie diese Lage, die sich aus ihr heraus auf den – diesen Interessen gemäßen – Aufbau der ganzen Gesellschaft vollkommen zu erfassen fähig wären, die Gedanken usw. also, die ihrer objektiven Lage angemessen sind. […] Die rationell angemessene Reaktion nun, die auf diese Weise einer bestimmten typischen Lage im Produktionsprozeß zugerechnet wird, ist das Klassenbewußtsein. Dieses Bewußtsein ist also weder die Summe noch der Durchschnitt dessen, was die einzelnen Individuen, die die Klasse bilden, denken, empfinden usw. Und doch wird das geschichtlich bedeutsame Handeln der Klasse als Totalität letzthin von diesem Bewußtsein und nicht vom Denken usw. des Einzelnen bestimmt und ist nur aus diesem Bewußtsein erkennbar."<ref>ebd.,S. 223f.</ref>
  "Indem das Bewußtsein auf das Ganze der Gesellschaft bezogen wird, werden jene Gedanken, Empfindungen usw. erkannt, die die Menschen in einer bestimmten Lebenslage haben würden, wenn sie diese Lage, die sich aus ihr heraus auf den – diesen Interessen gemäßen – Aufbau der ganzen Gesellschaft vollkommen zu erfassen fähig wären, die Gedanken usw. also, die ihrer objektiven Lage angemessen sind. […] Die rationell angemessene Reaktion nun, die auf diese Weise einer bestimmten typischen Lage im Produktionsprozeß zugerechnet wird, ist das Klassenbewußtsein. Dieses Bewußtsein ist also weder die Summe noch der Durchschnitt dessen, was die einzelnen Individuen, die die Klasse bilden, denken, empfinden usw. Und doch wird das geschichtlich bedeutsame Handeln der Klasse als Totalität letzthin von diesem Bewußtsein und nicht vom Denken usw. des Einzelnen bestimmt und ist nur aus diesem Bewußtsein erkennbar."<ref>ebd.,S. 223f.</ref>

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